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Braucht die Energiewende einen AKW-Unfall?

Mit wehenden Fahnen zog Deutschland in eine sauberere Zukunft – Stichwort Energiewende. Inzwischen hat sich die Euphorie gelegt und wie es scheint, könnte die Energiewende deshalb bald ganz ins Koma fallen. Ist der Traum von umweltfreundlicher Energie endgültig ausgeträumt? Viele wenn nicht alle gesellschaftlichen Missstände bestehen nur solange, bis die Öffentlichkeit mobilisiert und der nötige Widerstand organisiert ist. Sind hingegen alle zufrieden, stagniert der Fortschritt in den jeweiligen Lebensbereichen. Sind Kunststofftüten etwa der Sargnagel für Fische und Pflanzen in den Weltmeeren, stellt sich die verantwortungsbewusste Gesellschaft erst dann um, wenn darüber ausreichend – und das bedeutet oftmals permanent - berichtet wird. Das Bewusstsein der Masse muss angesprochen werden. Ist das öffentliche Interesse infolgedessen stark genug, wagt sich auch die Politik umso mehr vor, populäre Entscheidungen zu treffen. Soweit sind das logische Zusammenhänge, denn bekanntlich muss jeder Reaktion auch eine motivierende Aktion vorausgehen. Doch was, wenn dieser Interaktionsprozess so schwerfällig verläuft, dass sich beide Prozesse aufwiegen und neutralisieren?

Schwindende Motivation hemmt Energiewende

Deutschlands Energiewende ist ein aktuelles Beispiel dafür, wie so eine Neutralisation verlaufen kann. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima war Deutschland schockiert und entsprechend gewillt, eine ähnliche Katastrophe auf keinen Fall erneut geschehen zu lassen – vor allem nicht im eigenen Land. In der Konsequenz wuchs die Bereitschaft, sich von der Atomenergie zu verabschieden und im großen Stil auf alternative Energien umzusteigen. Auf eine Aktion folgte die Reaktion. Die Regierung traf im Zeichen des öffentlichen Interesses gleichfalls eine kurzfristige Symbolentscheidung: Atomkraftwerke abschalten. Und dann kam, was immer kommt: Der Schrecken über Fukushima ließ langsam nach und schlich aus dem Bewusstsein ins Vergessen. Die Betroffenheit nahm ab und die breite Motivation zur Energiewende ebenso. Infolgedessen fühlte sich auch die Politik weniger berufen. Baden Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sagt gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung entsprechend: „Je länger Fukushima zurückliegt, desto schwieriger wird die Akzeptanz.“

Weg zur Energiewende ist eine Sackgasse

Der Minister spielt mit seiner Aussage auf die Aufmerksamkeitsspanne der Öffentlichkeit an. Das Durchhaltevermögen ist zu gering, um die Energiewende und den Atomausstieg langfristig als gesamtgesellschaftliche Projekte zu tragen, würde man nicht beständig dafür werben. Doch die Werbung für die Vorteile der Energiewende sind nicht unerschöpflich und so stoßen auch die besten Argumente irgendwann auf taube Ohren. Die Energiewende als politisches Thema ist dann tot. So zeigt die Landesregierung Bayerns beispielsweise kaum mehr Initiative und sträubt sich gegen den Bau von Stromtrassen. In einigen Jahren, wenn die konventionellen Energien versiegen, wird die versäumte Zeit vermutlich teuer. Doch selbst wenn der Schock von Fukushima nicht „verjähren“ würde, die Energiewende bereitet sich mit ihrem Fortschritt selbst das Ende. Denn je näher man dem Ziel kommt, desto geringer der Wille, es zu erreichen. Sprich gegen 100% Atomkraft mobilisiert man leichter, als gegen die letzten 30%. Jede Meldung über einen neuen Windpark, eine neue Solaranlage oder Strom aus Biogas ist insofern „schädlich“, denn sie beruhigt das Gewissen des umweltbewussten Bürgers. Die Energiewende als Reaktion auf Fukushima wird somit Opfer ihrer Schwerfälligkeit. Sie lahmt gegenüber der Wankelmütigkeit des öffentlichen Interesses. Dabei ist diese schon oft kritisierte „Schwerfälligkeit“ jedoch nicht nur als strategischer Fehler zu verstehen, sondern auch als logische Konsequenz der Dimension, die das Projekt „Energiewende in Deutschland“ hat. Was es folglich braucht, ist kein Wille, sondern ein entschlossener Wille: Statt Energiewende unter Kompromissen, sind klare Entscheidungen hilfreicher.

Neue Katastrophen beflügeln Energiewende

Die Zusammenhänge erlauben letztlich einen bösen Rückschluss: Jeder Verbesserungsprozess erfährt neuen Antrieb, sobald der eigentliche Auslöser wieder an Präsenz gewinnt. Dass am Sonntag nahe New York ein Atomkraft in Brand geraten ist, wird den Gedanken an die Energiewende beispielsweise wieder tendenziell beflügeln und das Thema auch politisch wieder aufwerten. Darin liegt kein Vorwurf, sondern die menschliche Natur. Um die Motivation aufrecht zu erhalten, dass Windkrafträder und Photovoltaikanlagen auch vor der eigenen Haustür akzeptiert werden, wird immer wieder ein Anstoß nötig sein, der schwerer wiegen muss, als das mit der Energiewende einzugehende Opfer, Stromtrassen zu bauen und Windräder in die Landschaft zu setzen. Und so wird die Atomenergie in Deutschland solange eine Zukunft haben, wie sich nachteilige Zwischenfälle verdrängen lassen. Es braucht ein ständiges Gefühl der Notwendigkeit, dass in tragischen Fällen aber erst dann eintritt, wenn es zu spät ist. Eine Umfrage zur Energiewende zeigt, wie hoch die Akzeptanz aktuell noch ist.