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RWE: Welche Chancen hat die neue Ökostrom-Tochter?

Foto RWE startet am 1. April mit der neuen Ökostrom-TochterÄußerlich bleibt fast alles gleich, doch tatsächlich startet heute eine Revolution bei RWE: Der langjährige Kohle- und Atomkonzern setzt voll auf „grüne“ Energie. Wie sieht die Perspektive für die neue Ökostrom-Tochter aus?

Essen - Viele Jahre stand RWE in der ersten Reihe der Kernkraft-Befürworter. Ex-Vorstandschef Jürgen Großmann kokettierte mit dem Etikett „Atom-Dino“, und die klimaschädliche Verstromung von Braunkohle im Rheinischen Revier brachte den Essenern jedes Jahr satte Millionengewinne. Unter dem Druck der Energiewende und der zerbröselnden Börsen-Strompreise ist diese Ära endgültig vorbei.

„Grüner“ Strom im Fokus

Am 1. April startet RWE seine Zukunftsgesellschaft - rund um die intern einst eher belächelte Ökostrom-Sparte. Eine Zeitenwende für den Konzern, auch wenn auf den ersten Blick alles weiterläuft wie gehabt. Die neue Gesellschaft wird keine Mini-Tochter für grüne Paradiesvögel mit ein paar hundert Mitarbeitern, sondern der neue Kern der RWE mit zwei Dritteln der rund 60.000 Konzern-Beschäftigten und dem bisherigen Gesamtkonzernchef Peter Terium an der Spitze.

Der einstige Stolz der Firma - die konventionellen Kraftwerke - bleibt zusammen mit dem Handel und zunehmend unsicheren Aussichten im Mutterkonzern. RWE fasst die erneuerbaren Energien dabei mit den ebenfalls zukunftsträchtigen Sparten - dem Netzgeschäft und dem Vertrieb - zusammen.

An den RWE-Standorten ändert sich vorerst nichts. Größere Umzüge oder Veränderungen wie Personalabbau sind zunächst nicht geplant. „Jeder bleibt erst mal, wo er ist“, sagt eine Sprecherin. Für den Übergang heißt die neue Firma „RWE International SE“ - ein Platzhalter-Name.

Firmenname noch unklar

Den wird RWE wohl nicht auf Hochhausfassaden und Visitenkarten drucken, denn voraussichtlich schon zum 1. Juli kommt der neue, dauerhaft gültige Firmenname und ein wirklicher Neustart - möglicherweise auch mit einer Änderung der Marke RWE. Darüber beraten derzeit die Gremien des nach Eon zweitgrößten deutschen Versorgers.

Verschiedene Namen für die Zukunftsgesellschaft wurden bereits rechtlich geprüft. Darunter ist auch der bisherige Name der 2008 gegründeten Erneuerbaren-Tochter Innogy - eine aus Großbritannien importierte Mischung aus „Innovation“ (Erneuerung) und „Energy“ (Energie).

Das große Ziel ist es, RWE fit für die Zukunft zu machen - und das heißt vor allem, mehr Geld in erneuerbare Energien zu stecken. RWE hat die lukrativen Goldgräberzeiten der Energiewende verschlafen, wie auch Führungskräfte mittlerweile einräumen.

Nur geringe Investitionen möglich

Der Erneuerbaren-Anteil an der RWE-Erzeugungskapazität dümpelte lange Zeit bei unter fünf Prozent, während der Konkurrent Eon längst zweistellige Werte vorweisen konnte. Als der Fehler erkannt wurde, fehlten dem hoch verschuldeten Unternehmen Investitionsmittel.

Nur rund eine Milliarde Euro können die Essener derzeit verteilt über drei Jahre in die Öko-Energien pumpen - Eon drei Mal so viel. Genau an dieser Stelle soll die neue Gesellschaft Abhilfe schaffen.

RWE will Ende 2016 - je nach Börsenstimmung möglicherweise auch etwas später - zunächst rund zehn Prozent der Aktien der neuen Gesellschaft im Zuge einer Kapitalerhöhung an die Börse bringen. Weitere Schritte könnten später aus dem Aktienbestand - also ohne Aufstockungen - folgen, hat das Unternehmen angekündigt. Das soll RWE einen Sprung nach vorn beim Erneuerbaren-Ausbau ermöglichen.

RWE wird es „schwer haben“

Aktionärsvertreter wie Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) loben das Konzept. Denn anders als Eon bringe RWE nicht die „alte“ Energie, sondern die Zukunftssparten an die Börse. Aktionäre könnten hier ihr Geld in neue Energie stecken ohne Sorge, dass sie damit am Ende nur Atom- oder Kohlealtlasten finanzieren.

Andererseits ist schon jetzt das Überangebot an erneuerbarer Energie zumindest auf dem deutschen Markt gewaltig. „Die Energiewende wartet schon lange nicht mehr auf RWE. Der Dinosaurier wird es schwer haben, Fuß zu fassen“, sagt Greenpeace-Branchenexperte Tobias Austrup.

Die Essener werden zudem noch viele Jahre mit der teuren Abwicklung der Atomkraft und später der Kohle beschäftigt sein - aktuell etwa mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Das drückt unter anderem auch aufs Image. Da die „alte“ RWE AG angekündigt hat, dauerhaft eine Mehrheit am Zukunftsunternehmen zu halten, wird die „grüne“ Tochter ihre „schwarzen“ Eltern nicht los. Damit dürfte der neuen RWE-Gesellschaft der Wandel zum Öko-Konzern schwer fallen.

Text: dpa/pvg

Bild: dpa