07.07.2016
Der Atomausstieg verursacht bei den Stromkonzernen massive Kosten. Deshalb haben sie zahlreiche Klagen gestartet. Dem Fiskus und damit den Steuerzahlern drohen Schadenersatzansprüche in Milliardenhöhe, doch bisher bleiben die Gerichte standhaft. Nach EnBW verlor nun auch Branchenprimus Eon seinen Prozess.
Hannover/Düsseldorf - Gut fünf Jahre nach der Katastrophe von Fukushima vom 11. März 2011 und dem abrupten deutschen Atomausstieg rollt die Welle von Schadenersatz-Klagen der Energiewirtschaft weiter - allerdings mit wenig Erfolg aus Sicht der Industrie. Am Montag (4. Juli) wies das Landgericht Hannover die Forderung des Stromriesen Eon nach knapp 380 Millionen Euro Schadenersatz für die Betriebseinstellung der Atommeiler Isar 1 und Unterweser zurück. Eon wird wohl in Berufung gehen.
Auch in den bisherigen Verfahren zum 2011 verhängten Atom-Moratorium hatten sich die Gerichte zugeknöpft gezeigt: In Essen korrigierte das Gericht Ende 2015 den Schadenersatzanspruch von RWE noch vor der Entscheidung deutlich nach unten, in Bonn kassierte der EnBW-Konzern im Februar 2016 eine glatte Abweisung.
Das dreimonatige Moratorium für die ältesten deutschen Blöcke hatten die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Atomländer wenige Tage nach Fukushima vereinbart. Kurz danach folgte die Änderung des Atomgesetzes mit dem endgültigen Aus für zunächst acht Kraftwerke und dem Ausstiegsszenario für die übrigen Anlagen bis Ende 2022. Eon sieht sich bei Isar 1 und Unterweser enteignet und verlangt vom Bund sowie den Ländern Bayern und Niedersachsen eine Entschädigung. „Ich erwarte Gerechtigkeit“, hatte Konzernchef Johannes Teyssen im Frühjahr zu den Atomklagen zur Vorlage seiner Jahreszahlen gesagt. Diese waren - nicht zuletzt wegen der Energiewende - tiefrot.
Alle Kläger stützen sich auf eine Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofes von Anfang 2013. Das Gericht hatte das Moratorium für die beiden RWE-Kraftwerksblöcke von Biblis an der Bergstraße für rechtswidrig erklärt - unter anderem, weil RWE vor der Entscheidung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt.
Schon in der mündlichen Verhandlung Ende April hatte der Vorsitzende Richter in Hannover, Martin Schulz, Zweifel an der Eon-Position angemeldet. Schließlich habe sich Eon 2011 gegen die möglicherweise rechtswidrigen Staatsauflagen nicht gewehrt. Wer nicht klage, könne nicht nachträglich Schadenersatz verlangen, sagte Schulz. Diese Sichtweise bestimmte nun auch das Urteil: Mit einem Gang zum Verwaltungsgericht hätte Eon das Moratorium möglicherweise stoppen können, sagte das Gericht. Auf die verbreitete Anti-Atomstimmung nach Fukushima, die einen solchen Schritt unmöglich gemacht habe, könne sich Eon nicht berufen. Schließlich sei die Kernenergie schon lange vor der Katastrophe in Japan umstritten gewesen.
Das wichtigste Verfahren ist die Mitte März dieses Jahres verhandelte Grundsatzklage von Eon, RWE und Vattenfall gegen den schnellen Atomausstieg vor dem Bundesverfassungsgericht. Bisher ist nicht bekannt, wann hierzu das Urteil fällt. Falls die Konzerne beim höchsten deutschen Gericht gewinnen, könnten Zivilrechtsverfahren mit Forderungen in zweistelliger Milliardenhöhe folgen.
Das bezweifeln manche Beobachter. Schließlich steht der milliardenschwere Atomausstieg an - und die Industrie will dringend die kaum kalkulierbaren Lasten für die Endlagerung loswerden. Nach dem Vorschlag der Atom-Kommission von Ende April sollen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW dafür insgesamt 23,3 Milliarden Euro in einen Fonds überweisen. Über Details wird derzeit heftig hinter den Kulissen gerungen. Das Fallenlassen aller Klagen seitens der Industrie könnte zur Verhandlungsmasse in diesem Poker um Milliarden zählen, wird vermutet.
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Quelle: YouTube/Infinite Monkey
Text: dpa/pvg
Bild: dpa