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Braunkohle-Ausstieg: So viel kostet der Kompromiss

Foto Der Braunkohle-Ausstieg wird teuerWirtschaftsminister Gabriel wollte einst für den Klimaschutz die Energiekonzerne zu einer Strafabgabe auf alte Kohlemeiler verdonnern. Jetzt wird ihnen der Abschied von mehreren alten Kraftwerken mit viel Geld versüßt, während die Stromkunden den Braunkohle-Ausstieg bezahlen müssen.

Berlin - Manchmal holen einen alte Sprüche ein. Im Sommer letzten Jahres legte sich Sigmar Gabriel mit den Strombossen an. „Hartz IV“ für Kraftwerke werde es mit ihm nicht geben: „Nicht arbeiten, aber Geld verdienen“, das könne es ja wohl nicht sein, tönte der SPD-Chef. Bei der großen Reform des Strommarktes, die gerade auf die Zielgerade einbiegt, hält sich Gabriel daran. Bei der Braunkohle ist er eingeknickt.

Abkommen mit Versorgern

Am Wochenende verkündete er eine Einigung mit den Stromkonzernen, die besonders die gebeutelten Aktionäre des zweitgrößten deutschen Versorgers RWE freuen dürfte. Dazu gehören im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen viele klamme Kommunen, die es ihrem Parteichef danken werden.

RWE, Vattenfall und Mibrag müssen für den Klimaschutz bis 2020 nun schrittweise 13 Prozent der deutschen Braunkohle-Kapazitäten stilllegen - dafür gibt es über sieben Jahre je 230 Millionen Euro. Macht zusammen 1,61 Milliarden Euro.

Verbraucher werden zur Kasse gebeten

Zahlen müssen das die Stromkunden. Das sind bei den Netzentgelten zwar nur 1,75 Euro im Jahr. Mit der im nächsten Jahr auf Rekordhöhe anziehenden Ökostrom-Umlage, einer höheren Umlage für Anlagen, die Strom und Wärme erzeugen (KWK), sowie weiteren Maßnahmen läppern sich die Belastungen aber.

Im kommenden Jahr werden etwa 22,88 Milliarden Euro an Förderkosten für Solaranlagen, Windparks und Biomassekraftwerke über die Strompreise in Deutschland gewälzt. Der Anteil des Grünstroms an der Stromerzeugung liegt schon bei über 27 Prozent - aber warum haut das mit dem Klimaschutz nicht hin?

CO2-Emissionen bleiben ein Problem

Die Erfolge der Energiewende sind klimapolitisch bislang weitgehend verpufft, weil die Braunkohle-Verstromung stark bleibt. Deren Anteil an der Erzeugung sank 2014 gegenüber dem Vorjahr nur minimal auf 24,9 Prozent (2013: 25,2) ab. Der Preis für CO2-Verschmutzungsrechte im EU-Emissionshandel ist im Keller, was dazu führt, dass Braunkohle-Turbinen klimafreundlichere Gaskraftwerke aus dem Markt drängen.

Das Ergebnis: Deutschland als selbst ernannter Klimaschutz-Vorreiter bekommt seine Treibhausgasemissionen nicht in den Griff. So waren 2014 Braunkohlekraftwerke mit 158 Millionen Tonnen für mehr als die Hälfte des CO2-Ausstoßes im Strommarkt verantwortlich, schätzt das Umweltbundesamt. Bis 2020 soll der CO2-Ausstoß gegenüber 1990 aber um 40 Prozent sinken, hat die Kanzlerin versprochen. Angela Merkel will bei der Weltklimakonferenz im Dezember in Paris glänzen.

So wurde im Sommer eilig ein Milliardenpaket geschnürt, um zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Für Gabriel bitter: Nicht nur die Kanzlerin ließ ihn bei der Kohlestrafabgabe hängen, auch Gewerkschaften und seine eigenen SPD-Leute in den Bergbaurevieren im Westen und Osten gingen auf die Barrikaden.

Harte Kritik von Klimaschützern

Triumphierend verkündet IGBCE-Chef Michael Vassiliades, der mit SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi liiert ist, die Politik habe am Ende die Braunkohlelösung der Gewerkschaften übernommen. Grüne und Klimaschützer schimpfen über eine „teure Abwrackprämie“, die das Siechtum von RWE & Co. nur verlängere.

Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht einen „schmutzigen Deal“ von Gabriel mit der Braunkohlelobby. Die Einigung sei skandalös, weil RWE nun viel Geld für einzelne Kohlemeiler bekomme, die der Essener Versorger ohnehin habe abschalten wollen: „Durch diese Doppelbuchungen wird das Klimaziel 2020 noch schwerer zu verwirklichen sein.“

Auch Christoph Bals von Germanwatch regt sich darüber auf. Dennoch sei die Entscheidung eine Zäsur, die gut für den Klimaschutz sein könnte: „Diese Einigung ist der Anfang vom Ende der Braunkohleverstromung“, glaubt er. „Jetzt müssen die Regeln für einen sozialverträglichen Strukturwandel festgelegt werden.“

Für die betroffenen Mitarbeiter am Niederrhein oder in der Lausitz, wo Vattenfall seine Tagebaue verkaufen will, dürfte es kein einfacher Weg werden. So kündigte RWE noch am Sonntag den langfristigen Abbau von 800 bis 1.000 Stellen an.

Text: dpa/pvg

Bild: dpa