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Neue Stromtrassen: Werden die Stromautobahnen nie fertig?

Foto Kommt nun Bewegung in den Streit um neue Stromtrassen?

Unbeliebt und doch so dringend benötigt: Die neuen Stromtrassen sind der Zankapfel der Energiewende. Wo sie gebaut werden sollen, regt sich Widerstand. Regierung und Naturschützer drängen auf eine Einigung, denn der Streit zieht sich schon viel zu lange hin. PREISVERGLEICH.de erklärt die Hintergründe.

Karlsruhe - An der Nord- und Ostsee weht die frische Brise im Übermaß, im Südwesten ist windmäßig eher Flaute. Um den Energiehunger im wirtschaftsstarken Südwesten auch nach dem endgültigen Aus der Atomkraft im Jahr 2022 zu stillen, investiert Baden-Württembergs größter Stromversorger EnBW kräftig in norddeutsche Windparks. Ihr Bau kommt zügig voran - von den zwei geplanten Stromtrassen, die den Windstrom in den Südwesten transportieren sollen, kann man das so nicht sagen. Noch hofft der Betreiber TransnetBW auf eine Fertigstellung nach Plan. Doch die Widerstände vor Ort sind groß.

Die Leitungen selbst sind dabei nicht immer das Problem: Sie werden an bestehende Höchstspannungsmasten eingehängt - wie im Fall der Starkstromtrasse „Ultranet“ - oder unterirdisch verlegt („SuedLink“). Auf Gegenwehr stoßen die Endpunkte der Trassen, wo in sogenannten Konvertern der Gleichstrom in Wechselstrom für die Haushalte umgewandelt wird.

Zankapfel Philippsburg

Beispiel Philippsburg (Kreis Karlsruhe): Dort stehen zwei Atommeiler, eine Reihe von Castoren im Zwischenlager, dazu soll neuer Atommüll aus Frankreich und Großbritannien kommen - und nun noch eine riesige Umwandler-Station (Konverter) für „Ultranet“. „Der Krug ist voll“, sagt Bürgermeister Stefan Martus - und kündigt Widerstand an. Zumindest für den Fall, dass TransnetBW bei den bisherigen Planungen bleibt.

Die sehen vor, dass neben dem Kernkraftwerk am „Altrhein“ zehn Hektar von „höchster landwirtschaftlicher Güte“ für die Stromrichterstation geopfert werden, so die Gemeinde. Zugleich würden durch eine vier Meter hohe Auffüllung 400.000 Kubikmeter Rückhaltevolumen für Hochwasser verloren gehen, warnt der Rathauschef. Das könne im Fall einer Flut für die Philippsburger den Unterschied zwischen „untergehen“ und „davonkommen“ machen. Dass der Riesen-Konverter noch dauernd lärmt, sei zudem ein „nicht zu unterschätzendes Gesundheitsrisiko“. Mit sich reden lassen würde Martus hingegen über einen Standort auf dem AKW-Gelände.

Großprojekt 1: Stromtrasse „Ultranet“

Als ersten Schritt hat die Stadt eine Veränderungssperre beschlossen - und sich bis zu drei Jahre Zeit für einen Bebauungsplan verschafft. „Noch hat die Gemeinde die Planungshoheit“, betont der Bürgermeister.

Für die Trassenplaner ist das Zeit, die fehlt. Bis 2019 sollte „Ultranet“ an sich fertig sein, eine 340 Kilometer lange Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) von Osterath bei Düsseldorf bis Philippsburg - ein wichtiges Projekt für die Energiewende. „Wir zielen nach immer auf 2019“, sagt die Sprecherin von Transnet-BW. Die EnBW-Tochter, die das Milliardenprojekt mit Amprion plant, ist für den 40 Kilometer langen Abschnitt in Baden-Württemberg zuständig.

Großprojekt 2: Stromtrasse „SuedLink“

Doch auch die Partner in Nordrhein-Westfalen stoßen mit dem Konverter am anderen Ende auf Protest. Das dürfte sich auch bei der zweiten Stromautobahn für den Südwesten wiederholen: „SuedLink“, die in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) beginnt und in Leingarten bei Heilbronn endet. Sie soll bis 2022 fertig sein - dann, wenn der letzte Atommeiler vom Netz geht und der Südwesten den Strom aus dem Norden braucht.

Höchstspannungsmasten, an die die HGÜ-Leitung eingehängt werden kann, gibt es hier nicht. Die Trasse muss neu gebaut werden - und das vorrangig unter der Erde, wie ein neues Bundesgesetz es vorsieht. Das hilft bei der Akzeptanz in der Bevölkerung. Doch es wird teurer und dauert länger. Die Transnet-Planer, die für die rund hundert Kilometer in Baden-Württemberg der 800 Kilometer langen Trasse „SuedLink“ zuständig sind, müssen neu planen. „Fertigstellung 2022 wird ganz schön eng“, meint ein Sprecher.

Stromtrassen sind unverzichtbar

In Philippsburg will TransnetBW derweil Überzeugungsarbeit leisten:  „Wir wollen im Gespräch nach einer Lösung suchen“, heißt es. Für den Naturschutzbund Nabu muss diese „möglichst naturverträglich“ sein. Den Widerstand der Philippsburger kann Nabu-Landeschef Andre Baumann nicht nachvollziehen: „Ich würde mir mehr Sorgen machen um zwei AKWs in der Nähe.“ Klar sei: „Zur Energiewende gehören neue Stromtrassen.“ Die dürften nicht nach dem St.-Florians-Prinzip verhindert werden.

Das sieht man auch im baden-württembergischen Umweltministerium so: „Die Trassen sind unverzichtbar, weil wir Strom aus dem Norden für den Süden brauchen“, sagt ein Sprecher. Es gehe auch um die Versorgungssicherheit. Und was ist, wenn die Trassen nicht fertig werden, wenn die Atommeiler vom Netz gehen? „Der Strom kommt dann noch immer aus der Steckdose“, sagt der Transnet-Sprecher. Nur teurer - weil dann notfalls Windräder im Norden gedrosselt und im Süden Kohlemeiler angefahren werden müssten.

Weitere Informationen zur Debatte um zukünftige Stromtrassen liefert das folgende Video:

Quelle: YouTube/ARD Mittagsmagazin

Text: dpa/lsw/pvg