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57 Kraftwerke vor dem Aus: Stromversorgung in Gefahr?

Deutschland treibt seine Energiewende unermüdlich voran. An der Börse fallen die Strompreise. Die Folge dieser Entwicklung: Gas- und Kohlekraftwerke büßen immer mehr an Rentabilität ein. Viele Betreiber ziehen die Reißleine und schalten ab. Bauprojekte für neue Anlagen werden gestoppt. Verbraucher fragen sich, ob eine sichere Stromversorgung auch in Zukunft gewährleistet ist.

Bonn/Berlin - Angesichts der abgestürzten Strompreise an der Börse melden immer mehr Versorger ihre konventionellen Kraftwerke zur Abschaltung an. Nach der regelmäßig aktualisierten Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur stieg die Zahl der sogenannten Stilllegungsanzeigen allein seit Jahresbeginn bis Ende Juli um neun auf 57 Kraftwerke.

Keine Probleme bei der Stromversorgung

Die Bundesregierung betonte aber, dass die Kapazitäten bei der Energieversorgung völlig ausreichend seien. Vielmehr gebe es in Deutschland und europaweit sogar Überkapazitäten, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums am Montag (24. August) in Berlin. Die Versorgungssicherheit sei auch im kommenden Winter gewährleistet - „selbst in den kritischsten Situationen“, fügte sie hinzu.

Laut Bundesnetzagentur stehen bundesweit Kraftwerke mit einer Netto-Nennleistung von gut 197 Gigawatt bereit - davon gut 90 Gigawatt aus erneuerbaren Energien. Endgültig stillgelegte Anlagen sind dabei bereits abgezogen. Der tägliche Verbrauch liegt bei bundesweit 60 bis maximal gut 80 Gigawatt.

Jeder zweite Neubau gestoppt

Die Betreiber wollen vor allem Gas- und Steinkohle-Kraftwerke einmotten oder endgültig vom Netz nehmen. Der Börsenstrompreis ist innerhalb von zwei Jahren von etwa 50 auf rund 30 Euro pro Megawattstunde gefallen. Über die aktuellen Pläne der Betreiber hatte zunächst die „Bild“-Zeitung (24. August) berichtet.

Die Energiebranche sorgt sich angesichts der stark geschrumpften Erlöse im Erzeugungsgeschäft vor allem um die nötigen Neubauten in den kommenden Jahren. Bundesweit sei jedes zweite Neubauprojekt gestoppt, sagte ein Sprecher des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Der Anteil der Kraftwerke, die rund um die Uhr Strom erzeugen können, wird in den nächsten Jahren weiter stark sinken“, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller. Hinzu kämen Verzögerungen beim dringend notwendigen Netzausbau. „In der Summe empfinden wir die Situation als besorgniserregend.“

Netzbetreiber haben Einspruchsrecht

„Insgesamt haben wir weiter eine ausreichende Erzeugungskapazität“, sagte ein Sprecher der Bundesnetzagentur. „Wo regional die Erzeugung nicht ausreichen könnte, werden wir den Stilllegungen weiter widersprechen.“ Dies ist meist südlich des Mains der Fall.

Endgültigen Stilllegungen können die Netzbetreiber widersprechen, wenn sie die Versorgungssicherheit in Gefahr sehen. Wenn die Bundesnetzagentur dies bestätigt, müssen die Kraftwerke zum Erhalt der Netzstabilität weiterlaufen. Bisher ist das bei elf der 57 angemeldeten Kraftwerke der Fall. Betroffen sind unter anderem Anlagen in Ingolstadt, Marbach am Neckar, Heilbronn und Großkrotzenburg in Hessen.

Text: dpa/pvg